Bauzinsen
Die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten wirtschaftlichen Unsicherheiten, eine hohe Inflation und die Leitzins-Erhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Bauzinsen in den vergangenen eineinhalb Jahren kontinuierlich ansteigen lassen – mit gravierenden Folgen für die Immobilienfinanzierung.
Inhaltsverzeichnis
Was genau sind Bauzinsen und welche Bedeutung haben sie?
Der Begriff Bauzinsen wurde lange Zeit synonym für Hypothekenzinsen benutzt – also für die Zinsen, die für ein Hypothekendarlehen zu bezahlen sind. Da echte Hypothekendarlehen inzwischen selten geworden sind und die meisten Kreditinstitute Immobiliendarlehen über die Eintragung einer Grundschuld absichern, deckt die Bezeichnung Bauzinsen im allgemeinen Sprachgebrauch nun alle Zinsen ab, die im Rahmen einer Bau- oder Immobilienfinanzierung fällig werden. Je niedriger die Bauzinsen sind, desto günstiger wird die Immobilienfinanzierung – und umgekehrt. In den vergangenen zehn Jahren bis Mitte 2022 fielen die Bauzinsen auf ein historisch niedriges Niveau mit final einer „1“ vor dem Komma. Die preisgünstigen Baukredite begünstigten eine enorme Nachfrage nach Immobilien, die wiederum die Immobilienpreise ansteigen ließ.
Aktuell bewegt sich die Entwicklung in eine andere Richtung: Die gestiegenen Bauzinsen dämpfen die Nachfrage nach Immobilien und führen teilweise zu deutlichen Preisabschlägen. Sie stärken so auch die Position des Käufers bei Preisverhandlungen mit dem Verkäufer, der sich nun nicht mehr in der Sicherheit wiegen kann, auf ein schier unerschöpfliches Reservoir potenzieller Käufer zurückgreifen zu können.
Wie hoch sind die Bauzinsen aktuell?
Die aktuellen Bauzinsen pendeln Ende November 2023 um die 4-Prozent-Marke. Auf diesem Niveau lagen sie auch bereits im November 2022 und im März 2023. Dazwischen „zitterten“ die Werte ohne erkennbaren Trend.
Wichtig jedoch: Die Zinskurve zeigt leicht inverse Züge. Das bedeutet: Für kurze Zinsbindungen (wie etwa 5 Jahre) verlangen die Banken zumeist einen etwas höheren Zinssatz als für längere Laufzeit (wie etwa 10 Jahre). Normalerweise liegt der 5-Jahres-Zins unter dem 10-Jahres-Zins.
Insgesamt sind Baukredite seit dem deutlichen Zinsanstieg im Herbst 2022 in etwa so teuer wie in den Jahren 2011/2012. Dazwischen, also in den Jahren 2012 bis 2022, war Baugeld zumeist deutlich günstiger. Langfristig betrachtet ist aber selbst ein Zinssatz mit einer „4“ vor dem Komma immer noch weit von den historischen Höchstständen entfernt.
Wo stehen die Bauzinsen im historischen Vergleich?
Auch wenn die „Explosion“ der Bauzinsen in den vergangenen eineinhalb Jahren für viele Kalkulationen einer Baufinanzierung schmerzlich war und viele Planungen aus dem Gleichgewicht gebracht hat – historisch betrachtet handelt es sich „nur“ um eine überfällige Korrektur. Um diesen Umstand zu verdeutlichen, muss gar nicht auf das Zinsniveau hingewiesen werden, das noch vor 30 Jahren an der Tagesordnung war und Spitzenwerte von 11 bis 12 Prozent erreichte. Es reicht ein Blick auf die jüngere Entwicklung der letzten 15 Jahre.
Zu Beginn der weltweiten Bankenkrise, die 2007 maßgeblich und ausgerechnet von den US-amerikanischen Hypothekenbanken verursacht wurde, lagen die Bauzinsen in Deutschland im absoluten „Normalbereich“ zwischen 4,5 und 5 Prozent. Erst als 2008 die Pleite der Investmentbank Lehmann Brothers weltweite Turbulenzen auslöste und gigantische Rettungspakete in Milliardenhöhe auf den Weg gebracht wurden, begannen die Hypothekenzinsen historisch zu fallen. Und zwar kontinuierlich – unterbrochen nur durch einen starken Ausschlag nach oben infolge der Schuldenkrise in den Jahren 2010 und 2011. Die Talfahrt setzte sich anschließend jedoch, mit ein paar Wellenbewegungen zwischendurch, konsequent fort. 2018 war die „1“ vor dem Komma bei Neuverträgen eher die Regel als die Ausnahme: Die Bauzinsen waren in einem historisch tiefen Tal angekommen – und blieben dort bis Mitte 2022.
Welche Faktoren beeinflussen die Zinsentwicklung?
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass sich die Bauzinsen unmittelbar am Leitzins der EZB orientieren. Der Mechanismus, der die Hypothekenzinsen-Entwicklung steuert, ist jedoch ein anderer. Er wird vorrangig durch den Handel mit Pfandbriefen angetrieben. Das sind festverzinsliche Wertpapiere, die von den privaten Hypothekenbanken ausgegeben werden, um sich mit Finanzmitteln für ihre Immobiliendarlehen zu versorgen. Dazu beleihen die Kreditinstitute eigene und Kunden-Immobilien. Über Pfandbriefe wird sowohl der private Wohnungsbau als auch die Errichtung von Gewerbeimmobilien finanziert. Der Zinssatz dieser Pfandbriefe bildet im Wesentlichen die Kalkulationsbasis für den Zinssatz der Hypothekendarlehen. Er orientiert sich maßgeblich an der Rendite für deutsche Staatsanleihen. Diese wiederum ist der wohl verlässlichste Indikator für die Zinsentwicklung bei der Bau- und Immobilienfinanzierung.
Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet dies: Fällt die Rendite der Bundesanleihen, fallen auch die Bauzinsen – und umgekehrt.
Der EZB-Leitzins beeinflusst insofern die Entwicklung der Bauzinsen nicht direkt – wohl aber psychologisch. Kreditinstitute senken oder erhöhen ihre Zinsen, wenn sie erwarten, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins ändern wird – um beispielsweise eine hohe Inflation einzudämmen. Deshalb steigen oder fallen die Bauzinsen in aller Regel auch deutlich vor einer entsprechenden Veränderung des Leitzinses. Das war auch bei den insgesamt zehn Leitzins-Erhöhungen der Fall, die die EZB von Juli 2022 bis Mitte September 2023 veranlasst hat.
Welche individuellen Kriterien wirken sich auf die Höhe der Bauzinsen aus?
Der Zinssatz, den Kreditinstitute für die Immobilienfinanzierung verlangen, ist niemals in Stein gemeißelt. Jede Bank passt ihr Angebot auch an die je persönlichen Verhältnisse des Kreditnehmers an. Besonderes Augenmerk richten die Banken auf:
- Kreditwürdigkeit/Bonität: Mithilfe einer Schufa-Auskunft und auf Basis eigener Bewertungskriterien schätzt die Bank die Wahrscheinlichkeit ein, mit der das gewünschte Darlehen zurückgezahlt werden kann. Je größer diese ist, desto eher werden günstige Zinsen gewährt.
- Beruf: Je sicherer die Bank den Arbeitsplatz beurteilt und je höher das Gehalt, desto besser die Kreditkonditionen.
- Familienstand: Aus Bankensicht minimiert sich das Kreditrisiko, wenn Ehepartner gemeinsam eine Immobilienfinanzierung abschließen – im Gegensatz zu einem einzelnen Kreditnehmer.
- Wohnort und Lage der Immobilie: Je attraktiver die Lage der Immobilie, desto größer die Nachfrage und desto wahrscheinlicher steigt der Immobilienwert. Banken belohnen gefragte Immobilien mit attraktiven Bauzinsen.
- Nutzung der Immobilie: Grundsätzlich setzen Kreditinstitute das Kreditausfallrisiko bei Eigennutzung geringer an, als wenn es sich um Renditeobjekte handelt.
- Darlehenshöhe: Oft werden Top-Zinskonditionen nur bei höheren Finanzierungssummen ab 200.000 Euro angeboten, weil die Relation von Prüfaufwand und Darlehensbetrag für die Bank dann optimal ist.
- Eigenkapital: Es gilt die Faustregel: Je mehr Geld ein Kreditnehmer in die Baufinanzierung einbringen kann, desto günstiger wird der Zinssatz.
- Tilgungshöhe: Eine höhere als die normale Tilgung von zwei Prozent honorieren Banken in der Regel mit niedrigeren Hypothekenzinsen, da das Darlehen ja insgesamt schneller zurückgezahlt wird.
- Sollzinsbindung: Aktuell ist hier der eherne Grundsatz, nach dem eine längere Laufzeit mit einem Zinsaufschlag verbunden ist, tendenziell außer Kraft gesetzt. Derzeit liegen die Bauzinsen für 10 Jahre und auch für 15 Jahre unter dem Satz, der für 5-jährige Darlehen angesetzt wird. Die zusätzliche Zinssicherheit kostet daher momentan sogar weniger. Lediglich die Hypothekenzinsen für 20 Jahre und mehr folgen wieder der Regel.
- Sondervereinbarungen: Nicht alle Banken bieten Sonderoptionen wie beispielsweise die Möglichkeit der Sondertilgung oder des Tilgungssatzwechsels überhaupt an. Hier lohnt es besonders, Anbieter zu vergleichen – weil beispielsweise während der Laufzeit eine Erbschaft erwartet wird.